Am Anfang der Yoga-Leiter stehen die Yamas, die unser soziales Leben regulieren sollen:
1. ahimsa – Nicht-Verletzen, Gewaltlosigkeit
2. satya - Wahrhaftigkeit
3. ashteya – Nicht-Stehlen
4. brahmacharya – Achtsamer Umgang mit Sexualität, Beschränkung auf einen Partner
5. aparigraha – Unbestechlichkeit
Wenn wir dagegen verstoßen, geschieht das aus Egoismus, Ignoranz, Gier oder Abneigung heraus und führt unweigerlich zu Konflikten. In einer Situation voller Konflikte ist spirituelles Praktizieren kaum möglich. Hinzu kommt, dass jede egoistisch motivierte Handlung erneut egoistische Eindrücke im Unterbewusstsein hinterlässt und neues Karma schafft. Somit ist die Einhaltung der yamas die Voraussetzung für spirituellen Fortschritt.
Die nächste Stufe sind die niyamas:
Die niyamas wenden sich an uns selbst und geben uns einen Rahmen für einen Lebensstil, der es uns ermöglicht langfristig Yoga zu praktizieren, motiviert und inspiriert zu bleiben und uns nicht zu überfordern.
Reinheit des Körpers bedeutet Hygiene, gesundes Essen und Vermeidung von Vergiftungen (z.B. durch Umweltgifte), so gut, wie es möglich ist. Reinheit des Geistes bedeutet, von Gedanken von Hass, Neid, Gier, Wut usw. Abstand zu nehmen, indem wir ihren Ursprung (das Ego und die Ignoranz) und ihr unvermeidliches Ziel (Konflikte und Leid) erkennen.
In Vers II.42 erklärt Patanjali, dass Zufriedenheit die Ursache von unübertrefflichem Glück ist. Das ist ein sehr interessantes Statement. Wenn die Menschheit diesen Vers verstehen würde, müssten wir nicht unseren Planeten zerstören, weil wir das Glück in materiellen Dingen und Konsum suchen. Wir könnten einfach mit dem, was wir haben, zufrieden und glücklich sein.
Das bedeutet nicht, dass man mangels Motivation nichts mehr tut. Jedoch können wir, wenn wir mit dem jetzigen Moment zufrieden sind, in unsere innere Stille hinein lauschen und hören, was jetzt wirklich getan werden soll. Zufriedenheit ist sehr wichtig für die spirituelle Praxis. Denn wenn wir mit unserer Situation nicht zufrieden sind, kreisen unsere Gedanken ständig um den wahrgenommenen Mangel und der Geist denkt unentwegt darüber nach, wie wir ihn beseitigen können und wie glücklich wir dann sein werden.
So ist es unmöglich, dass die Gedankenwellen im Geist zur Ruhe kommen (Definition von Yoga). Es ist also unbedingt notwendig, zufrieden zu sein. Dazu müssen wir erkennen, dass es keinen Mangel gibt und dass uns nichts, aber auch gar nichts auf dieser Welt glücklich machen kann. Kein Ding, kein Ereignis, kein Mensch – nichts hat das Glück inne. Und auch umgekehrt: Nichts sollte unsere Zufiredenheit stören, denn wir werden niemals perfekte Umstände vorfinden!
Und selbst wenn wir durch das Erlangen von irgendetwas kurzfristig glücklich sind, wird dieser Zustand nicht lange anhalten, denn der nächste Wunsch kommt schon sehr bald. Glück ist unsere Entscheidung zufrieden zu sein und diese Entscheidung können wir in jedem Moment und in jeder Situation treffen.
Disziplin bedeutet, dass wir auch mal unangenehme Umstände in Kauf nehmen. Wir sollten uns darauf einstellen, dass der spirituelle Weg nicht immer nur einfach ist. Was bist du bereit zu geben für deine Befreiung? Zwar sagt uns die Vedanta Philosophie, dass wir alle bereits befreit sind, nur leider erkennen das die meisten von uns nicht einfach so.
Wer das Selbst rein über das intellektuelle Verstehen erfassen kann, für den reicht das Studium der Brahma Sutras. Für alle anderen gibt Patanjali die 8 Stufen und die Übungen, mit denen wir uns diesem Verständnis öffnen können. Für die tägliche Praxis braucht es Disziplin. Bereits die Einhaltung der yamas und niyamas erfordert Disziplin, genauso wie die tägliche Praxis von Asanas, Pranayama und Meditation.
Mal gibt es Zeiten, da geht es wie von selbst. Und dann kommen andere Zeiten, in denen wir große Widerstände haben. Hier gilt es, unseren gesunden Menschenverstand einzusetzen. Klar müssen wir unsere Praxis anpassen, wenn wir beispielsweise krank sind oder einen körperlich anstrengenden Job haben. Wir sollten dies aber mit wachem Geist tun und uns nicht von der Faulheit überlisten lassen, die uns sagt, dass wir heute die Praxis mal ganz sein lassen könnten.
Auch während der Praxis kann es ungemütlich werden. Z.B. während wir in einem Asana verweilen können unangenehme körperliche Empfindungen aufsteigen oder Emotionen hoch kommen. Genauso beim Pranayama und in der Meditaion. Ist dies der Fall, sollten wir uns in Tapas üben – natürlich immer in einem gesunden Rahmen – bevor wir uns mit Musik, Düften und anderen Bequemlichkeiten ablenken, die Position auflösen, die Praxis ganz beenden oder so verändern, dass wir nur noch das üben, was uns leicht fällt.
Mit Selbst-Studium ist das Studium des Selbst, der Seele oder Gott gemeint. Hier geht es darum, dass wir mit Gott, so wie wir ihn verstehen, in Verbindung kommen. Dies geschieht durch die Wiederholung eines Mantras wie z.B. der Silbe Om und durch das Studium heiliger Schriften.
Wenn man etwas liest, verbindet man sich immer mit dem Geist des Verfassers oder der Verfasserin. Da die heiligen Schriften wie Bhagavat Gita, Upanishaden, Bibel usw. direkt von Gott gegeben wurden, verbinden wir uns durch ihr Studium mit seinem Geist. Durch das Studium dieser Schriften, haben wir einen Leitfaden anhand dessen wir unser Denken und Handeln beobachten und hinterfragen können. Gleichzeitig wird hier Gott beschrieben und erklärt und jemanden zu kennen hilft ungemein, wenn man sich hingeben und verlieben will.
Hingabe an Gott bedeutet, dass wir alles, was wir tun, dem höchsten Selbst oder dem Göttlichen widmen. Dies schließt aus, das wir in irgendeiner Form an den Früchten unseres Handels hängen oder unser Handeln von Angst bestimmen lassen.
Die Auslegung der Yamas und Niyamas ist sehr tiefgründig und individuell. Deshalb möchte ich Dich auch hier ermutigen, Dir Papier und einen Stift zu nehmen, und aufzuschreiben, was diese Worte für Dich bedeuten. Es ist auch sehr spannend mit Freunden oder Familienangehörigen darüber zu sprechen.
Hier einige Gedanken von mir:
Saucha - Reinheit
Körperliche Reinheit beinhaltet nicht nur das morgendliche Waschen und Duschen und das Anziehen frischer Kleidung (siehe auch das Video: Yogische Morgenroutine - so wirst Du richtig munter!), sondern auch eine reine Ernährung, die vegetarisch ist und aus frisch zubereiteten Speisen besteht. Drogen, Alkohol, Zigaretten und auch Kaffee stehen nicht auf dem Speiseplan, genauso wenig wie weißer Zucker. Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass eine yogische Ernährung fünf Nahrungsmittelgruppen beinhaltet:
Zur geistigen Reinheit gehört z.B., dass wir unseren Geist nicht mit zu viel Schrott füttern. Welche Bücher liest du? Welche Medien und Nachrichten konsumierst du? Ist das wirklich nötig? Mit was könntest du deinen Geist füttern, was ihn erhebt und inspiriert?
Welche Gedanken denken wir? Drehen wir uns im Kreis? Hängen wir in Negativität, Urteil, Verurteilung von uns selbst und anderen, kritisieren wir viel? Dies hat auch Einfluss auf unsere Gefühle. Aus negativen Gedanken entstehen Gefühle von Neid, Eifersucht, Gier und Hass. All das verschmutzt unser subtiles Wesen und blockiert uns.
Wenn wir beginnen bewusst zu konsumieren - Nahrung und gesitigen Input - wird das die Gedanken und Gefühle sehr stark verändern. Du kommst in einen Raum von Dankbarkeit, Freude, Großzügigkeit und Liebe.
Santosha - Zufriedenheit
Eine Tendenz unseres Geistes ist es, nie zufrieden zu sein und immer wieder neue Wünsche und Begierden zu haben. Gleichzeitig hat er die Fähigkeit uns sehr glaubwürdig zu erklären, dass bestimmte Dinge unbedingt notwendig sind. Wenn wir aber genauer hinschauen, sind sie das in sehr vielen Fällen gar nicht.
Wenn wir ständig damit beschäftigt sind uns materielle Wünsche zu erfüllen bzw. unser materielles Umfeld zu perfektionieren, werden wir keinen Raum für spirituelle Praxis finden. Unsere Gedanken werden ständig darum kreisen, wie wir unser Verlangen erfüllen können. Wie soll der Geist da zur Ruhe kommen?
Darum ist es wichtig, dass wir Zufriedenheit kultivieren. Ein weiterer Punkt ist, dass wir für die Erfüllung unserer Wünsche tatsächlich Zeit und Geld brauchen. Auch das geht wieder von unserer Zeit für Yoga ab und bindet uns an die materielle Welt.
Und wie geht das?
Tapas - Einfachheit, Disziplin
Wenn wir das Wort Disziplin oder sogar Askese hören, denken wir an Yogis, die jahrelang auf einem Bein stehen, bis ihnen der halbe Körper wegfault. Das ist damit zum Glück nicht gemeint.
Gemeint ist, dass wir uns nicht pampern. Gerade hier in Europa leben wir in einem unfassbaren Luxus durch den unser Körper und Geist schwach werden. Müssen wir wirklich im Winter im T-Shirt drinnen sitzen und den Raum auf 25 Grad hoch heizen? Ist jeden Tag ein ganzer Liter Milch notwendig? Hier noch ein leckerer Drink und da noch ein Snack, das 36. Hemd im Schrank usw.
Das schadet nicht nur uns selbst, sondern dem ganzen Planeten. Yogis leben nach dem Motto: "Simple living, high thinking"
Ein einfacher Lebensstil vermeidet, dass wir zu viel haben und eine Garage für Sachen mieten müssen, die wir nicht brauchen. Das spart Raum, Zeit und Geld. Wir müssen uns nicht ständig sinnlos verwöhnen, sondern können mit wenig auskommen. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht ärgern müssen, wenn mal etwas nicht vorhanden ist (ich denke an einen Mann, der letztens im Roßmann eine Szene gemacht hat, weil seine Lieblings-Schokoladen-Sorte nicht da war oder an Menschen, denen es den Abend verdirbt, wenn in der Bar ein bestimmtes Getränk aus ist...).
Auf diese Weise schaffen wir Raum für unsere Praxis. Es wird immer leichter Asanas, Pranayama und Meditation in den Alltag zu integrieren.
Svadhyaya - Studium der Schriften
Das Studium heiliger Schriften wie dem Yoga Sutra, der Bhagavat Gita oder anderen ist für unseren spirituellen Fortschritt unerlässlich. Diese Schriften erzählen uns von der spirituellen Wirklichkeit, die jenseits der materiellen Welt und unserer Sinne liegt. Wir erfahren etwas über Gott und unser wahres spirituelles Selbst als Seele. Es heißt im Yoga, dass wir Selbst-Erkenntniss suchen, aber wie sollen wir etwas erkennen, was wir nicht kennen?
Ishwara pranidhana - Hingabe an Gott
Nichts wird im Yoga Sutra so häufig erwähnt wie dieser Punkt. Durch Hingabe an das Göttliche, können wir das Ziel des Yoga sofort erreichen. Alle Yoga-Techniken zielen in letzter Konsequenz darauf ab und hier hin zu bringen, dass wir unsere eigene Agenda und den Versuch die materielle Welt zu kontrollieren, aufgeben und uns dem Göttlichen hingeben können. Dann nehmen wir wieder unsere wahre Stellung ein.
Für mich bedeutet Hingabe an Gott auch Liebe. Denn ohne Liebe geht Hingabe nicht. Die Worte Gott und Seele können auch durch Liebe ersetzt werden.
Gopali Devi Dasi Daniela Reich, November 2024
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