Richtlinien für Pranayama und wie Hingabe an Gott Deine Praxis kalibriert

Pranayama sind die Atemübungen im Yoga. Es nimmt eine zentrale Rolle für die Yoga-Praxis ein, da es den Übergang vom äußeren zum inneren Yoga darstellt. Pranayama gleicht die Doshas und unsere rechte und linke Hirnhemisphäre aus und sorgt so für körperliche Gesundheit und Klarheit im Geist.

Pranayama sollte an einem ruhigen sauberen Ort geübt werden, der vor Wind und Sonne geschützt ist. Befindet sich dieser Ort in der Natur, wie z.B. in einem Wald oder in der Nähe eines Gewässers, ist das von großem Vorteil, da du hier von viel Prana umgeben bist, das du aufnehmen kannst. Die Luft sollte sauber sein und der Ort frei von Insekten. Orte außerhalb von Städten sind besonders gut geeignet. Du solltest ungestört sein und Ruhe haben.

Das bedeutet natürlich nicht, dass du kein Pranayama üben kannst, wenn du in einer Stadt lebst. Alle Punkte, die ich hier aufführe sollen dir lediglich eine Richtschnur geben dafür was hilfreich ist. Es gibt Dinge, die die Praxis unterstützen und solche, die das nicht tun. Das heißt jedoch nicht, dass kein spiritueller Fortschritt möglich ist, wenn manche Umstände nicht optimal sind.

Wenn du in einer Stadt lebst, in der die Luftverschmutzung hoch ist und du permanent der rajasigen Vibration der City ausgesetzt bist, könnte es eine Möglichkeit sein, ein bis zweimal im Jahr ein Retreat in einem Ashram in der Natur zu machen, um hier intensiver zu praktizieren, während du in der restlichen Zeit zu Hause ein weniger intensives Pranayama-Programm absolvierst.

Immer schön im eigenen Rhythmus!

Ganz wichtig ist, dass du dich beim Pranayama niemals anstrengst! Pranayama ist fortgeschrittener als Asana, weil es uns hier noch teurer zu stehen kommt, wenn wir mit Ego und Ehrgeiz üben. Die Lungen sind sehr empfindlich und sollten nicht überanstrengt werden. Richtig ausgeführtes Pranayama löst alle Ursachen von Krankheiten auf. Falsch ausgeführtes Pranayama kann Krankheiten hervorrufen!

Deshalb solltest du immer in dem für dich passenden Rhythmus üben, der sich angenehm anfühlt, dich weder unter- noch überfordert.

Das bedeutet für den Yoga-Unterricht, dass Pranayama möglichst im eigenen Rhytmus unterrichtet werden sollte. Das heißt, dass zuerst die Technik erklärt wird und die SchülerInnen dann in ihrem eigenen Atem-Rhythmus üben. Es ist nicht möglich in einer Yoga-Klasse den passenden Rhythmus für alle vorzugeben.

Als LehrerIn kannst Du auch zuerst einen sehr leichten Rhythmus vorgeben und die SchülerInnen danach in den eigenen übergehen lassen.

Wenn sich SchülerInnen zu lange die Luft anhalten oder zu langsam ein- oder ausatmen, kann das zu Stress führen, d.h. der Flucht-Kampf-Mechanismus wird aktiviert. Dabei wollen wir mit den Atemübungen doch genau das Gegenteil bewirken.

Im schlimmeren Fall kann es zu Panik, Kopfschmerzen, Ohrenrauschen oder anderen körperlichen Beschwerden kommen. All das wird im Unterbewusstsein gespeichert und mit dem Pranayama in Verbindung gebracht. Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Mensch Spaß und Freude an Pranayama entwickelt und es in seine tägliche Praxis dauerhaft integriert, ist sehr gering.

Darum sollten wir als YogalehrerInnen den Rhythmus frei lassen und immer wieder darauf hinweisen, dass es auf die regelmäßige Praxis ankommt und nicht auf lange Ratios. Bei den Asanas dürfen wir uns gerne mal herausfordern und anstrengen, schwitzen und die Muskeln vor Freude zittern lassen. Für Pranayama gelten andere Regeln.

Ishvarapranidhana in der Yoga-Praxis

Damit wir nicht unserem Ego und unserem Ehrgeiz auf den Leim gehen, wird in allen Schriften dringend empfohlen unseren Geist während der gesamten Praxis auf das Göttliche auszurichten. Dazu kannst du dir z.B. ein Bild vor dich hinstellen mit etwas, was dich an das Göttliche erinnert.

Das können hinduistische Gottheiten sein, Jesus, Maria, ein Meister, eine Meisterin, das Wort Allah geschrieben, eine Pflanze, ein Stein ect. Es ist wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir nicht für uns Yoga üben, um einen eigenen Vorteil davon zu haben.

Wir üben, um empfänglicher zu werden, damit die göttliche Kraft, die göttliche Intelligenz durch uns wirken kann.

Das zweite Kapitel der Yoga Sutras, welches sich mit Sadhana - der spirituellen Praxis – beschäftigt, beginnt damit, dass Patanjali den Kriya Yoga beschriebt. Kriya Yoga nach Patanjali besteht aus drei Teilen: Tapas (Disziplin), Swadhyaya (Studium der Schriften) und Ishvarapranidhan (Hingabe an Gott).

Disziplin, zu der es auch gehört ein einfaches Leben zu führen, ist die Voraussetzung, damit wir unsere Praxis überhaupt langfristig aufrecht erhalten können. Ist unser Leben zu kompliziert und haben wir keine Disziplin, werden wir zu Schön-Wetter-Yogis und -Yoginis, die ihren Geist immer wieder Gründe finden lassen, die Praxis zu unterbrechen.

Studium der Schriften ist wichtig, damit wir verstehen, was wir in unserer Praxis tun und warum wir es tun, inspiriert bleiben und uns immer wieder an die göttliche Intelligenz erinnern, die das ganze Universum durchzieht und in den Herzen aller Wesen wohnt.

Hingabe an Gott bedeutet, dass wir uns in den Dienst dieser kosmischen Intelligenz stellen. Somit dient unser Sadhana dem Zweck, dass wir gesund sind, Power haben und in Verbindung mit dem Göttlichen und der Seele sind, damit sie sich durch uns ausdrücken und erfahren kann.

Wenn das Göttliche in den Herzen aller Wesen wohnt (wie Krishna es in der Bhagavad Gita beschreibt), ist Dienst an anderen Wesen Dienst an Gott.

Wenn wir also unseren Körper quälen und zerstören, dient das in keinster Weise dem Dienst am Göttlichen und an allen Wesen, auch nicht, wenn wir es mit Asanas und Pranyama machen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir unseren Körper pampern sollen. Wenn der Körper immer nur verwöhnt und nicht gefordert wird, wird er schwach und krank. Der Mittelweg ist also gefragt.

Wir sollten bei unserem Üben immer im Kopf behalten, dass Asana und Pranayama Vorbereitungen auf den inneren Yoga von Dharana, Dhyana und Samadhi sind. In Zeiten, in denen Yoga modern und hip ist, üben viele Menschen Asanas und Pranyama um einen gesunden und perfekten Körper zu bekommen und vertiefen dadurch sogar noch die Identifikation mit dem Körper.

Ob wir am Ende unseres Lebens glücklich sterben, hängt weder davon ab, welche Asanas wir beherrschen oder wie lange wir die Luft anhalten können, noch davon, was wir alles erlebt oder erreicht haben. Einen zufriedenen Tot sterben Menschen, die anderen geholfen haben, für andere da waren, die Liebe gegeben haben (natürlich auch sich selbst) und ihr Leben mit Sinnhaftigkeit gefüllt haben.

Patanjali erwähnt Ishvarapranidhana (Hingabe an Gott) in seinen Yoga Sutras gleich an mehreren Stellen. Er betont damit die Wichtigkeit für jede/n SchülerIn. Egal ob AnfängerIn oder Fortgeschrittene. Ishvarapranidhana hilft uns nicht nur dabei, beim Üben Ego und Ehrgeiz zu überwinden, sondern auch, eine regelmäßige Praxis in unserem Alltag zu installieren.

Stell dir vor, du spielst ein Musikinstrument in einem Orchester. Egal wie leise dein Instrument sein mag und wie kurz dein Anteil am gesamten Stück vielleicht auch ist – ohne dich wird es sich nicht so anhören, wie es gedacht war, als es komponiert wurde. Es ist also sehr wichtig, dass du übst, damit du deinen Part im Orchester gut und sicher spielen kannst. So hört sich am Ende das Stück nicht nur toll an, sondern es macht allen Beteiligten inkl. dir total viel Spaß und Freude. Das Üben trägt demnach nicht nur zum Erfolg aller bei, sondern auch dazu, dass du Freude daran hast, deine Aufgabe zu erfüllen.

Genauso ist es mit der Yoga-Praxis. Bist du durch deine regelmäßige Asana-Praxis gesund, durch Pranayama ausgeglichen und munter und erlangst durch Meditation immer mehr Ruhe und Klarheit im Geist, kannst du alle deine Aufgaben mit großer Freude erledigen und hast genug Energie, um für dich und andere da zu sein. Das Leben ist eine Symphonie.

Jeder weiß, wie schnell sich das verändern kann, wenn Krankheit, Emotionen, Gedankenkarusselle usw. unseren Himmel verdunkeln. Darum ist die tägliche Praxis (sechs Tage in der Woche) keine Frage von Müssen, sondern von Wollen!


Gauri Daniela Reich 2020 

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